Unser Antrag auf Heimfall der Krankenhäuser an den Kreis Altenkirchen

Unterschriftenliste vor dem Hintergrund des Kreisverwaltungsgebäudes | Bild: © Corinna SimmerkußUnterschriftenliste vor dem Hintergrund des Kreisverwaltungsgebäudes | Bild: © Corinna Simmerkuß

Wir hatten es geschafft, innerhalb von 2 Wochen fast 4000 gültige Unterschriften zu sammeln. Es stimmt, wir haben nur 2.935 abgegeben, weil wir nicht mehr mit dem Erfassen nachkamen und den Antrag so schnell wie möglich abgeben wollten. Dazu haben wir der Kreisverwaltung zwei volle Aktenordner und eine umfangreiche Excel-Liste, vorsortiert nach Verbandsgemeinden, übergeben.

Unterschriftenordner kurz vor der Abgabe an die Kreisverwaltung Altenkirchen | Foto: © Corinna Simmerkuß
Unterschriftenordner kurz vor der Abgabe an die Kreisverwaltung Altenkirchen
Foto: © Corinna Simmerkuß

Am 24.06.2024 um 11:00 als Tagesordnungspunkt 7 wurde der Einwohnerantrag im Kreistag behandelt, gerade noch innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von 3 Monaten.

Es war die letzte Sitzung des „alten“ Kreistages vor der konstituierenden Sitzung des am 9. Juni gewählten „neuen“ Kreistages. Eigentlich sollte die Kreistagssitzung am 3. Juni sein und am 24. Juni die letzte Kreisausschuss-Sitzung stattfinden. Aber das hat man getauscht und die Sitzung des Kreisausschusses auf den 3. Juni vorverlegt, während die Sitzung des Kreistages auf den 24. Juni verschoben wurde, also nach der Wahl.

Die „früheste“ Kreistagssitzung, die ich im Rats- und Bürgerinfosystem des Kreises Altenkirchen finden konnte, war die 2. Sitzung des Kreistages am 02.09.2019 um 14:00 Uhr. Alle anderen Sitzungen haben frühestens um 15:00 Uhr begonnen.

Was also hat den Kreis dazu bewogen, den Termin der letzten Kreistagssitzung auf 11:00 Uhr zu legen? Die hierfür genannten Gründe (Anwesenheit möglichst aller Kreistagsmitglieder) werden gehört, aber selbst nicht von allen Fraktionsvorsitzenden der Parteien so wieder gegeben.

War der Wunsch, dass möglichst wenig Zuhörer kommen, vielleicht die Triebfeder?

Dazu passt, dass die Zuschauerempore fast ausschließlich für die neuen Mitglieder des gerade gewählten Kreistages reserviert waren. Zuschauer, wie der frühere Ärztliche Direktor des Krankenhauses Altenkirchen wurden abgewiesen und in die Cafeteria „umgeleitet“. Die Bestuhlung für Zuschauer im Sitzungssaal selbst war mit „Reservierung für Verwaltung“ gekennzeichnet. Ein dort neben den Antragstellern platzierter Mitarbeiter war während der Sitzung in tiefen Schlaf verfallen. Auch hier sollte die interessierte Bevölkerung keinen Platz finden. Für die Bevölkerung waren im Flur vor der Kantine auf unbequemen Biertisch-Bänken Plätze vor einem großen Fernseher vorgesehen, anstatt im Wilhelm-Boden-Saal oder auf der Empore Platz nehmen zu dürfen.

Biertisch-Bänke vor der Kantine für die Zuhörer | © Sandra Ihme
Die Zuhörer mussten auf Biertisch-Bänken vor der Kantine Platz nehmen
Foto: © Sandra Ihme

Der zunächst fehlende Ton wurde von einer zeitverzögerten Übertragung von Bild und Ton (der immer noch schwer zu verstehen war) abgelöst. Über die (digitale) Technik sollte der Kreis noch einmal nachdenken. Wichtiger wäre aber ein Nachdenken über den Umgang mit der eigenen Bevölkerung. „Nah bei de Leut 2.0“ sollte sicherlich anders aussehen.

Zu diesem Bild passt auch der den Vertreten des Einwohnerantrags im Sitzungssaal zugewiesene Platz. Dr. Isabella Jung-Schwandt, Corinna Simmerkuß und Ralf Käppele durften in der hintersten dunklen Ecke des Saales Platz nehmen. Leider ohne Ablage für die Unterlagen, für einen Tisch hatte es nicht gereicht. Getränke waren auch nicht vorgesehen, wurden aber gebracht, als jemand von der Kreisverwaltung eine entsprechende Bemerkung hörte. Danke dafür!

Sitzplätze der Antragsteller im Sitzungssaal | Foto: © Corinna Simmerkuß
Sitzplätze der Antragsteller im Sitzungssaal | Foto: © Corinna Simmerkuß

Zunächst erklärte Büroleiter Norbert Schmauck den Anwesenden sehr ausführlich, weshalb man auf keinen Fall dem Heimfall zustimmen dürfe. Er hatte dazu eine Sitzungsvorlage erstellt, die den Fraktionen zuvor zur Verfügung gestellt worden war – uns als BI natürlich nicht, sonst hätten wir in der Sitzung selbst schon auf die dortigen Inhalte, die sich weitestgehend im Konjunktiv bewegten, eingehen können. Unter anderem stellte er in der Ausarbeitung fest, dass das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit in einem Schreiben von Anfang des Jahres mitteilte, es sehe die stationäre Krankenhausversorgung im Kreis Altenkirchen als gesichert an. Im Übrigen würde eine Entscheidung pro Heimfall auf Grund der von ihm aufgeworfenen ungeklärten Fragen aktuell nur zu Chaos im Kreis führen.

Mit den Ausführungen werden wir uns im Detail noch auseinandersetzen. Aber schon jetzt lässt sich sagen, dass alle „Wenn´s und Aber´s“ vom Kreis in den letzten 10 Monaten seit Eröffnung der vorläufigen Insolvenz (08.08.2023) hätten geklärt werden können. Das dies nicht gemacht wurde zeigt, dass weder die Verwaltung noch der Kreistag den Heimfall – zumindest als Plan B – in Erwägung gezogen haben.

Vor der Begründung unseres Antrags hatte Ralf Käppele einen Antrag zur Geschäftsordnung, nämlich auf Ausschluss des Landrates nach § 16 Abs.1 Ziff. 3.b) gestellt. Dort ist geregelt, dass eine Person, die im Aufsichtsrat einer juristischen Person tätig ist und diesem nicht als Vertreter des Landkreises angehört, nicht beratend und entscheidend an der Sitzung teilnehmen darf.  Da dieser Ausschlussgrund in der Person des Landrats vorlag, übergab Landrat Dr. Enders die Sitzungsleitung an Tobias Gerhardus und nahm auf einem Stuhl im Zuschauerbereich des Saals Platz.

Für die Bürgerinitiative sprach zunächst Corinna Simmerkuß und versuchte, den Kreistagsmitgliedern die Sorgen und Ängste der Menschen in der Region rund um die Patientenversorgung anhand von Beispielen näherzubringen. Sie erklärte ebenfalls, welche Auswirkungen das Verhalten des Krankenhausträgers auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Dass sie dabei die richtigen Worte fand, zeigte der immer wieder auch oben im Saal hörbare Applaus der Zuhörer eine Etage tiefer. Außerdem ging sie auf das Thema Geld ein und machte deutlich, dass die BI einen Neubau für Steuerverschwendung hält. Die Rede finden Sie hier. Offenbar war die Rede jedoch zu emotional für Herrn Gerhardus, denn er rief Corinna Simmerkuß zur Ordnung, dass sie sich doch – sinngemäß – etwas zurückhalten solle.

Dr. Isabella Jung-Schwandt erklärte den Kreistagsmitgliedern die medizinische Sicht der Leistungsreduzierung und die derzeitige Situation in der Gesundheitseinrichtung, die nur noch dem Namen nach ein Krankenhaus ist. So schilderte sie, dass die Personaldecke massivst ausgedünnt wurde: nach 16:00 Uhr gibt es nur noch zwei Pflegefachkräfte auf der Kurzliegerbetten-Station und eine Pflegefachkraft in der Notfallanlaufstelle. Narkoseärzte sind nach 15:30 Uhr gar nicht mehr im Dienst. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter empfänden es so, als würde der Träger es drauf anlegen, das Krankenhaus ausbluten zu lassen. Nicht ohne Grund hätten über 80 sehr gut qualifizierte Fachkräfte seit Beginn des Insolvenzverfahrens den Träger verlassen.
Auch diese Rede wurde mit lautstarken Beifallsbekundungen quittiert. Dr. Isabella Jung-Schwandts Rede finden Sie hier.

Ralf Käppele nahm sich der juristischen Sachverhalte an und erläuterte u. a., dass schon das Gutachten zur Auswahl des neuen Klinikstandortes aus dem Jahre 2019 einige gravierende Fehler enthält und fragte, weshalb den Verantwortlichen das Gutachten nicht vorlag, sondern lediglich ein Flyer des DRK. Des Weiteren führte er aus, dass der Kreistag im Jahr 2020 ohne Not auf den Heimfall für den Neubau einer Klinik in Müschenbach einstimmig verzichtet habe. Bei dieser Abstimmung sei auch nicht aufgefallen, dass die zuvor erhaltene Forderungsverzichts- und Haftungs-/Kostenfreistellungserklärung nicht vom Vertragspartner stamme, damit wertlos sei. Im Vorfeld der damaligen Kreistagssitzung vom 23.11.2020 schrieb der damalige Geschäftsführer des Trägers, Herr Decker, in einem Brief an den Landrat von den Plänen, die das DRK für die Nachverwendung am Standort Altenkirchen vorsehe. Das, was heute als „neues Konzept von WMC Healthcare“ präsentiert wird, hat Herr Decker damals schon fast 1:1 formuliert. Wichtig sei jedoch, dass Herr Decker und der Landrat unisono zu dem Ergebnis kamen, dass diese Nachverwendung kein Krankenhaus mehr darstelle. Von daher sei auch heute neben der Insolvenz des Trägers auch der Heimfall wegen des Fehlens eines Krankenhauses am Standort Altenkirchen gegeben. Ralf Käppele führte weiter aus, wie unkoordiniert der Umbau abläuft – selbst nach 7 Monaten Insolvenz wissen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Altenkirchen noch nicht, wie es weitergeht. Eine Beschränkung der Redezeit hat es nicht gegeben und dem Einwohnerantrag steht ein qualifiziertes Darlegungsrecht zu. Dennoch wurde durch den Sitzungsleiter Ralf Käppele wiederholt unterbrochen und gebeten, seinen Vortrag zu kürzen.

Hier finden Sie die Präsentation zu den drei Reden.

Im Anschluss an die Vorträge gaben die Fraktionsvorsitzenden ihre Stellungnahme ab. Ich fasse die mal kurz zusammen: Alle haben dafür plädiert, den Antrag abzulehnen.

Die Sorgen und Ängste der Einwohner, der Umgang mit den Mitarbeitern, die Kosten für einen, unserer Meinung nach unnötigen Neubau, spielten dort offenbar keine Rolle. Denn man könnte Altenkirchen auch erweitern. Das ganze Gebäude ist für eine Erweiterung vorbereitet, verfügt über eine Wärmepumpe und ist energetisch saniert. Von Seiten der CDU war wiederholt der Standort Altenkirchen für die Errichtung einer großen Westerwaldklinik benannt worden. Genau im Vorfeld der Behandlung des Einwohnerantrags im Kreistag positionieren sich Landtagspräsident Hendrik Hering, Gesundheitsminister Clemens Hoch und DRK-Aufsichtsrat Manuel Gonzáles in der Rhein-Zeitung vom 19.06.2024 mit der Mitteilung, dass im Hintergrund die Planungen für den dortigen Neubau auf Hochtouren laufen. Berichtet wird von einem Treffen vor Ort, Herr Gonzales aber, auf den Artikel angesprochen, darauf hinweist, dass es sich um ein altes Foto handeln würde. Warum waren denn keine Politiker aus Altenkirchen zu dem Ortstermin eingeladen? Werden diese von dem im Aufsichtsrat sitzenden Landrat darüber informiert, was im Hintergrund so alles auf Hochtouren läuft? Und warum hat Clemens Hoch für solche Termine Zeit, aber keine Zeit dafür, einer Einladung des Betriebsrats in Altenkirchen zu folgen und sich ein unmittelbares Bild über das Krankenhaus in Altenkirchen zu machen?

Zum Schluss der Sitzung vom 24.06. haben die Kreistagsmitglieder mit großer Mehrheit gegen unseren Antrag gestimmt. Vier Kreistagsabgeordnete haben sich enthalten, zwei Kreistagsabgeordnete der AfD stimmten für den Antrag.

Warum wir das hier ganz bewusst so schreiben?
Weil es seitens der SPD schon bei Facebook hieß: „Ob man sich als BI über die zur Abweichung beitragenden AfD-Stimmen freuen darf, ist dann noch einmal eine andere Debatte.“

Niemand der BI freut sich darüber, dass die AfD für unseren Antrag gestimmt hat! Wir haben uns von Anfang an entsprechend distanziert.

Im Jahr 2020 hat der Kreistag EINSTIMMIG auf das Heimfallrecht verzichtet hat – also auch mit den Stimmen der AfD. Es ist dann schon etwas unpassend, wenn ein SPD-Mitglied damit offenbar kein Problem hat, dann aber mit dem Finger wegen den zwei Ja-Stimmen der AfD, für die wir ja nichts können, auf uns als BI zeigt. Im Übrigen sei die Frage an die SPD erlaubt, wie viele Ihrer Anträge im Kreistag einstimmig beschlossen wurden, also auch mit Stimmen der AFD? Dies zeigt die Zielrichtung aber auch die Absurdität des dortigen Vorwurfs.

Was sehr enttäuschend war, war die Stimmung, die uns von den Kreistagsmitgliedern entgegenschlug. Dass man von dem Antrag nicht begeistert war – geschenkt. Aber dass man nicht mal die Höflichkeit besitzt, die Antragssteller in den Reden wenigstens anzusprechen – wir waren nämlich in diesem Moment keine Gäste mehr, sondern laut Kommunalbrevier ein „Quasi-Organ“ (ja, das heißt tatsächlich so). Okay, das muss man als Kommunalpolitiker jetzt nicht wissen. Aber man kann auch den Menschen, die ihre demokratischen Rechte wahrnehmen, gegenüber höflich sein. Demokratie heißt nicht: „Der Kreistag darf nicht kritisiert werden!“. Demokratie heißt auch nicht: „Stellt gefälligst keine Anträge an den Kreistag, das gehört sich nicht!“ Und Demokratie heißt ganz sicher nicht: „Ihr müsst tun, was wir wollen, wir wissen am besten, was gut für euch ist!“

Leider haben viele Menschen vor Ort das so empfunden. Eine Zuhörerin hat mir gegenüber geäußert: „Die sind an uns vorbeigegangen, als wären wir überhaupt nicht da, haben uns völlig missachtet. Als wären wir Bittsteller.“

Etwa 100 Zuhörer vor der Kantine vor dem großen Fernseher | Foto: © Sandra Ihme
Etwa 100 Zuhörer vor der Kantine vor dem großen Fernseher
Foto: © Sandra Ihme

Hoffnung macht jedoch, dass von Seiten der CDU und der FDP nach der Sitzung das Angebot zu gemeinsamen Gesprächen gemacht wurden. Ein offener Diskurs in der Sachen in gegenseitigen Respekt ist ein Schritt in die richtige Richtung und wird von Seiten der BI gerne wahrgenommen.

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