Interview mit dem Ärztlichen Direktor am DRK-Verbundkrankenhaus AK-Hbg, Hazem Zakri, in der Rhein-Zeitung am 01.03.2024 in reiner Textform
Hachenburg/Altenkirchen. Seit Jahresbeginn ist Hazem Zakri neuer Ärztlicher Direktor am DRK-Verbundkrankenhaus Altenkirchen-Hachenburg. Stühlerücken in schwierigen Zeiten, stehen die Zeichen beim Krankenhausträger im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung doch auf spürbaren Veränderungen. Im Exklusivinterview mit unserer Zeitung gibt der 41-jährige Kardiologe und Internist mit syrischen Wurzeln Einblicke in den Transformationsprozess und mögliche Auswirkungen auf die Patienten.
Wie nehmen Sie die aktuelle Stimmung in den Krankenhäusern Hachenburg und Altenkirchen wahr?Aktuell ist die Stimmung sehr gemischt – irgendwo zwischen gespannt und erwartungsvoll. Die Mitarbeiter beobachten die Entwicklung, da ja in absehbarer Zeit die Versetzungen vorgenommen werden. In Altenkirchen konnten die Mitarbeiter, die sich vorstellen können, in ein anderes DRK-Krankenhaus zu wechseln, ihre Wünsche äußern. Das muss ja mit den anderen Häusern abgestimmt werden, damit die Wünsche nach Möglichkeit auch erfüllt werden.
Sicherlich gibt es bei einigen Beschäftigten auch Frustration, gerade wenn es das „eigene“ Haus ist, in dem Personal reduziert wird. Doch wir haben wirklich versucht, ein gutes Konzept auf den Tisch zu legen, damit es für den einen oder anderen Mitarbeiter auch noch eine Perspektive in Altenkirchen gibt.
Wo sehen Sie Ihre größten Herausforderungen als Ärztlicher Direktor?
In erster Linie geht es darum, dass ich meinen Chefarztkollegen helfe, gemeinsam die bevorstehende Transformation zu meistern, und dass wir uns gemeinsam mit den Mitarbeitern für die Zukunft gut aufstellen. Allen ist dabei klar, dass das Gesundheitssystem, so wie es bislang gültig war, nicht mehr umsetzbar ist. Und dennoch muss es uns gelingen, dass bei Patienten und Mitarbeitern ankommt, dass wir weiterhin eine gute Versorgung gewährleisten.
Wie wird Ihr Arbeitsalltag aussehen, wenn spätestens ab 1. Mai die neuen Strukturen der Transformation greifen sollen?
Mit Blick auf Altenkirchen wird es in den ersten Monaten, nachdem die neuen Strukturen eingeführt sind, darum gehen, dass das richtige Patientenklientel in die Notfallaufnahme kommt. Diese wird von einem Kollegen besetzt sein, unterstützt durch einen Facharzt. Diesen Prozess werde ich begleiten, damit die 24-Stunden-Bereitschaft auch funktioniert. Zudem gehört auch eine Kompensation und Steuerung zu diesen Herausforderungen. Das heißt zum Beispiel, dass Patienten, die nicht mehr stationär in Altenkirchen versorgt werden, in Nachbarhäusern betreut werden. Entsprechende Gespräche laufen. Ziel ist es, die kardiologischen und internistischen Fälle in Hachenburg zu behandeln, und die gastroenterologischen Fälle etwa in Kirchen oder in Neuwied. Altenkirchen wird ab Mai somit zu einem wichtigen Steuerungszentrum, in dem man sich zuerst die Patienten anschaut und entscheidet, wer eine stationäre Versorgung benötigt, bei wem eine halb-ambulante Versorgung notwendig ist – und wer möglicherweise auch wieder entlassen werden kann. In einem zweiten Schritt werden die Patienten dann bei Bedarf in das für sie richtige Haus verlegt. Das führt dazu, dass die Patienten geordnet und bedarfsgerecht direkt zu den richtigen Häusern gebracht werden. Altenkirchen bleibt bedeutsam und entlastet die anderen zentralen Notaufnahmen. Diese Struktur erlaubt es uns, dass akute Erkrankungen weiterhin in Altenkirchen erstversorgt werden, aber für die Patienten auch eine stationäre Behandlungsgarantie in den umliegenden Häusern geschaffen wird.
Können Sie noch etwas konkreter werden? Wie wird die medizinische Versorgung künftig im Verbundkrankenhaus aussehen?
Menschen mit akuten Beschwerden werden in Altenkirchen untersucht und fachärztlich beurteilt. Dort wird dann entschieden, ob der Patient nach 24, maximal 48 Stunden, wieder entlassen werden kann oder nicht. Wir haben viele Patienten aus Pflegeheimen mit Harnwegsinfekten oder mit zu wenig Flüssigkeit im Körper. Diese Patienten können in Altenkirchen aufgenommen werden, und man beginnt hier eine antibiotische Therapie, die später auf Tabletten umgestellt werden kann. Und nach 48 Stunden können sie wieder in ihre gewohnte Umgebung zurück, was für sie auch von Vorteil ist. Wer schwerer erkrankt ist, wird auch in Altenkirchen von einem Facharzt untersucht, der gegebenenfalls entscheidet, ob der Patient in Hachenburg, Kirchen oder Neuwied besser aufgehoben ist. Nach Rücksprache mit den Kollegen dort wird eine Übernahme direkt in die Wege geleitet.
Nehmen Sie das Beispiel Hachenburg. Dort werden die Betten der gynäkologischen Station, die jetzt schließt, künftig zur Kompensation der fehlenden stationäre Behandlung in Altenkirchen dienen. Wir erweitern hier also die Kapazität für die internistische und kardiologische Behandlung und können ab April dann für die Kollegen eine Art „Übernahmegarantie“ anbieten. Wenn Altenkirchen Bedarf anmeldet, können wir diese Patienten auch bürokratielos aufnehmen. Insofern wollen wir künftig auch unseren Verbund und die Kooperation der Standorte als Stärke für eine optimale Versorgung nutzen.
Was Sie jetzt skizziert haben, beinhaltet auch den viel zitierten Blinddarmdurchbruch eines Altenkircheners am späten Abend?
‘Wenn diese Diagnose gestellt wird, wird der Patient in Neuwied oder auch in Kirchen weiterversorgt werden. Die halbe Stunde Fahrt dorthin müsste möglich sein. Oder, wenn der Notarzt den Verdacht von vorn herein hat, dann muss er nach ärztlichem Ermessen den Patienten direkt in ein Haus bringen lassen, in dem es nachts auch eine chirurgische Bereitschaft gibt. Das Gleiche gilt für Patienten mit Brustbeschwerden oder konkretem Verdacht auf Herzinfarkt. Der kommt dann in ein Haus, in dem eine Katheterbereitschaft vorgehalten wird. Jeder Patient soll bestmöglich versorgt werden.
Wie bewerten Sie den Vorwurf, dass vorhandene medizinische Infrastruktur in Altenkirchen nach und nach zerschlagen wird und der Standort nur noch als „Ersatzteillager“ für andere Häuer dient?
Wenn wir das Versorgungsangebot in einem Haus reduzieren und dies von anderen Häusern kompensiert wird, müssen auch die Voraussetzungen für diese Kompensation geschaffen werden – sowohl beim Personal als auch bei der Materialausstattung. Wenn ein Gerät anderswo dringender gebraucht wird, muss auch den Altenkirchener Kollegen daran gelegen sein, dass die Patienten davon profitieren – egal, an welchem Standort. Bis jetzt ist mir aber kein Fall bekannt, in dem wir aus Altenkirchen Gerätschaften abgezogen haben – und das, obwohl der Standort ein Überangebot vorhält. Wir müssen uns als Region Westerwald verstehen, das sind unsere Patienten, denen wir die bestmögliche Versorgung zukommen lassen wollen – egal, in welchem Krankenhaus.
Der Träger setzt auf stärkere Kooperation innerhalb der eigenen Häuser. Was könnte das für den Alltag bedeuten?
Ich gebe Ihnen gerne ein Beispiel. Aktuell spreche ich mit den Chefärzten der Gastroenterologie und der Chirurgie aus Neuwied. Auch die loten aus, was an Zusammenarbeit denkbar ist. Beide könnten unsere direkten Ansprechpartner und Experten bei schwierigen Fällen in diesen Bereichen werden. Und dadurch, dass wir in einem Konzern sind, können wir unsere Abläufe vereinheitlichen und bürokratielos für die Patienten eine Übernahme erleichtern. Dann muss keiner drei bis vier Tage auf sein Bett warten. Ähnliche Gespräche habe ich schon mit dem Chefarzt der Gefäßchirurgie in Kirchen geführt. Wir arbeiten ganz intensiv an einer besseren Verzahnung. Das alte Prinzip, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht, funktioniert eben nicht mehr. Die Devise lautet: entweder gemeinsam gewinnen oder gemeinsam verlieren.
An diesem Donnerstag hat die Geburtshilfestation hier in Hachenburg geschlossen. Wie tief sind noch die Wunden im Haus nach dieser Entscheidung?
Ich habe es bereits angesprochen, dass ich diese Station übernehmen werde. Und ich übernehme natürlich auch Personal, das hier über Jahrzehnte erfolgreich tätig war und der Gynäkologie einen guten Ruf verschafft hat. Wir haben ehrliche Gespräche geführt. Ich habe im Vorfeld ja auch Verständnis gezeigt für den Kampf, den diese Mitarbeiter für ihre Station geführt haben. Natürlich hätte ich einen Erhalt auch begrüßt, aber wir können vor den wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Umständen nicht die Augen verschließen. Die Kollegen haben sich mir gegenüber offen gezeigt und wollen als ein Team auf dieser Station bleiben. Das werde ich unterstützen, und ich will auch dafür sorgen, dass wir langsam diese Wunden überwinden und gemeinsam einen Neuanfang schaffen. Ich habe den Mitarbeitern auch Fortbildungen im Bereich der Inneren Medizin und der Kardiologie in Aussicht gestellt, damit sie in unseren Bereichen Erfahrungen sammeln können. Daran arbeiten wir gemeinsam.
Globaler gefragt: Haben Sie die Hoffnung, dass nach vollzogener Transformation wieder Ruhe in die Belegschaft einkehren wird?
Wenn die Kollegen hier wie da merken, dass die Führungskräfte es mit dem neuen Konzept ernst meinen und dass die neuen Strukturen auch funktionieren, bin ich davon überzeugt, dass sie dies mit Freude mittragen werden. Ich verstehe mich als Chefarzt und jetzt auch als Ärztlicher Direktor, der sehr nah an seinen Mitarbeitern dran ist. Ich nehme jede Kritik und jeden Verbesserungsvorschlag an. Wir stehen am Anfang. Wir werden sicher auch Fehler machen. Da hilft nur Offenheit. Wir sind alle in einem Boot. Es bringt mir nichts, wenn ich vorne als Kapitän stehe und hinten ein Leck entsteht und mir das keiner sagt.
Eine ganz persönliche Frage: Haben Sie selbst in den Zeiten der Ungewissheit mit dem Gedanken gespielt, sich beruflich anders zu orientieren?
‘Ich bin als Chef immer der, der als Erster kommt und als Letzter geht. Und ich bin der Letzte, der aus dem Boot springt. Das wäre mir als Verrat vorgekommen, wenn ich meine Mitarbeiter mit auf eine Reise nehme und mittendrin sagen würde, das war es für mich. Diese Transformation werden wir gemeinsam umsetzen.
Was bedeutet die ganze Transformation in Ihren Augen für die Pläne eines großen Westerwaldklinikums?
Ich bin nach wie vor optimistisch, dass ein solches Krankenhaus gebaut wird. Es muss auch gebaut werden. Ich stehe in einem sehr engen Kontakt mit Professoren der Kardiologie und Herzchirurgie an der Uniklinik in Bonn, weil wir unsere Leistung und unsere Ausstattung erweitern wollen, um auch in einem neuen Klinikum eine gute medizinische Versorgung anbieten zu können. Aktuell setzen wir auf Kooperation unter den eher kleinen Standorten. Aber sicherlich macht es mit Blick auf eine demografisch zu erwartende steigende Patientenzahl Sinn, dass alle Chefärzte unter einem Dach zusammenarbeiten.
Wo sollte ein solches Krankenhaus stehen, und braucht es dazu mehrere Träger?
Zur Standortfrage kann ich mich nicht äußern, aber ich bin sehr offen. Wenn dieses Gebäude irgendwann einmal in Altenkirchen stehen sollte, dann gehe ich auch dorthin. Auch Altenkirchen ist mein Krankenhaus. Aber das würde ich auch mit Kirchen so handhaben. Ich bin nicht an einen Standort gebunden, sondern an meine Mitarbeiter und meine Patienten. Was die Trägerfrage angeht, müssen diese natürlich untereinander klären, was realisierbar ist. Das Interesse daran darf nicht nur einseitig sein.
Abschließende Frage: Wenn wir in zwölf Monaten wieder zusammensitzen würden, was wäre für Sie eine Entwicklung, von der Sie sagen würden, dass es ein erfolgreiches Jahr war?
Den Erfolg würde ich daran messen wollen, dass wir diese Transformation umgesetzt haben und die Kooperation innerhalb unserer Häuser zum Wohle der Patienten funktioniert. Und dass unsere Mitarbeiter das Gefühl haben, dass wir ein sinnvolles Konzept auf den Weg gebracht haben. Ich würde mir ebenso wünschen, dass wir endlich auch Klarheit darüber haben, was die Krankenhausstrukturreform des Bundes bringt, und dass wir dadurch die Insolvenzen, die wir aktuell erleben, gebannt haben.
Das Gespräch führte Markus Kratzer
Quelle: https://rzepaper.rhein-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/649511/19
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